Therapeutische Aspekte

Entfernung von Zytokinen

Das Hauptziel der CytoSorb-Therapie* ist die Entfernung von Zytokinen, also Entzündungsmediatoren, aus dem Blut der Patienten. Durch CytoSorb wird nicht ein bestimmtes Zytokin (wie z. B. IL-6) entfernt, sondern ein breites Spektrum von pro- und anti-inflammatorischen Zytokinen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da unterschiedliche Botenstoffe zum Teil redundante Wirkungen hervorrufen und bisherige Ansätze einer Senkung einzelnen Substanzen sich nicht als zielführend erwiesen.

CytoSorb ermöglicht eine konzentrationsabhängige Entfernung, die auf physikochemischen Mechanismen beruht. Bei hohen Konzentrationen einer Substanz (z.B. Zytokine) ist eine hohe Entfernungseffizienz gegeben und große Mengen können sehr schnell entfernt werden. Bei abnehmenden Konzentrationen nimmt auch die Entfernungseffizienz ab. Diese Selbstregulierung trägt dazu bei, eine vollständige Entfernung von physiologischen Mediatoren wie Zytokinen zu verhindern, was dabei hilft, eine physiologische Immunreaktion wiederherzustellen. Darüber hinaus wurde bei bestimmungsgemäßer Verwendung eine signifikante Entfernung von C3a und C5a sowie von Procalcitonin beobachtet (Ref.: 1–10).

Entfernung anderer endogener Moleküle

(z. B. Myoglobin und Bilirubin)

Neben der Entfernung von Zytokinen wurde in mehreren klinischen Studien auch die Entfernung von Substanzen nachgewiesen, die außerhalb der systemischen Inflammation eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie bestimmter kritischer Erkrankungen einnehmen. Hierzu zählen:

Myoglobin: Akutes Nierenversagen, welches sekundär zu Rhabdomyolyse auftritt, ist der Hauptgrund für die Bemühungen, hohe Myoglobinspiegel im Blut von Patienten möglichst schnell zu senken. Rhabdomyolyse, ein Zerfall von Muskelfasern mit anschließendem Eintritt von Muskelproteinen und Zellbestandteilen ins Blut, kann bei Traumata, Verbrennungen, Infektionen und Muskelüberlastung auftreten. Myoglobin mit einem Molekulargewicht von 17kD, kann mit CytoSorb wirksam aus dem Blut entfernt werden. (Ref.: 11–13)

Freies Hämoglobin: Freies Hämoglobin ist ebenso wie freies Eisen giftig. Durch Hämolyse freiwerdendes Hämoglobin wird normalerweise an Haptoglobin gebunden und dann abgebaut. Mit zunehmender Hämolyse erschöpft sich die Bindungskapazität des Haptoglobins. Freiwerdendes Hämoglobin kann dann nicht mehr gebunden werden und tritt frei im Blutplasma auf. Hämolysen können durch mechanische Einflüsse (ECMO, HLM), Infektionen/Toxine (Malaria, Streptokokken, EHEC), Immunreaktionen (Rhesusinkompabilität) und andere Ursachen ausgelöst werden. In der klinischen Studie REFRESH I wurde beobachtet, dass mit CytoSorb eine erhebliche Entfernung der Substanz aus dem Blut der Patienten erreicht werden kann. (Ref.: 9)

Bilirubin: Bilirubin und Biliverdin sind Abbauprodukte von Hämoglobin und sind massiv im Blut erhöht, wenn durch Hämolyse überproportional viel Hämoglobin abgebaut oder es durch eine Leberfunktions- oder Ableitungsstörung (Cholestase) zu einer Akkumulation im Blut kommt. Verschiedene Veröffentlichungen haben gezeigt, dass Bilirubin hervorragend durch CytoSorb entfernt werden kann (0,6 kDa). (Ref.: 17–18)

Gallensäuren: Gallensäuren bzw. deren Akkumulation im Plasma spielen eine bedeutende, bisher oft unterschätzte Rolle bei kritischen Erkrankungen, z.B. Sepsis, systemischer Inflammation und Leberversagen. Während der Anwendung von CytoSorb wurde ein Rückgang der Gallensäuren beobachtet, was zur Vorbeugung toxischer Wirkungen führen könnte (Ref.: 19).

Entfernung exogener Moleküle

In verschiedenen präklinischen und klinischen Untersuchungen wurde ein erheblicher Abbau der folgenden exogenen Moleküle beobachtet. Die Verwendung von CytoSorb als Versuch, andere Stoffe als Zytokine, Bilirubin, Myoglobin, Ticagrelor oder Rivaroxaban zu adsorbieren, gilt als Off-Label-Verwendung und liegt in der alleinigen Verantwortung des behandelnden Arztes nach individueller Nutzen-Risiko-Beurteilung. Die nachfolgende Liste bietet außerdem Sicherheitsinformationen zu möglichen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen durch eine unerwünschte Entfernung von Medikamenten/Substanzen.

Enterotoxine: Enterotoxine können auch als biologische Waffen eingesetzt werden. Es wurde beobachtet, dass CytoSorb schnell und sicher eine Reihe dieser Toxine aus dem Blut entfernt. (Ref.: 20)

Medikamente: Substanzen, die aufgrund eines Mangels im menschlichen Körper natürlich vorkommende Stoffe ersetzen oder aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften bestimmte Wirkungen induzieren sollen, unterliegen den gleichen physikalischen Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich Transport, Metabolisierung und der Ausscheidung wie endogene Substanzen. Wie bei anderen extrakorporalen Blutreinigungsverfahren, wie z. B. Dialyse oder Hämofiltration, wurde auch bei CytoSorb eine Interaktion mit endogenen und exogenen Molekülen im Blut beobachtet. Der Einfluss von CytoSorb auf bestimmte Pharmaka ist bei der Dosierung und Sicherstellung von medikamentösen Therapien zu berücksichtigen. Dies kann bei bestimmten Pharmaka genutzt werden zur Entfernung unerwünscht hoher Plasmaspiegel aufgrund von Überdosierung oder Intoxikation.

Publiziert sind in diesem Zusammenhang erfolgreiche Therapieversuche bei Venlaflaxin-Überdosierungen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass bei Patienten, die sich einer Notfallintervention unterziehen müssen, während sie mit dem P2Y12-Inhibitor Ticagrelor oder dem Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban behandelt werden, die intraoperative Entfernung der Substanz während des kardio-pulmonalen Bypasses durch CytoSorb die Blutungskomplikationen reduziert.  (Ref.: 21–26)


 
Referenzen
 

Entfernung von Entzündungsmediatoren

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(3) Modulation of chemokine gradients by apheresis redirects leukocyte trafficking to different compartments during sepsis, studies in a rat model.
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(8) Hemoadsorption removes tumor necrosis factor, interleukin-6, and interleukin-10, reduces nuclear factor-кB DNA binding, and improves short-term survival in lethal endotoxemia.
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(9) Hemoadsorption to Reduce Plasma Free Hemoglobin during Cardiac Surgery: Results of REFRESH I Pilot Study.
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(10) Extracorporeal cytokine adsorption in septic shock: A proof of concept randomized, controlled pilot study.
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Entfernung anderer endogener Moleküle

Ecstasy

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Lang CN, Sommer MJ, Neukamm MA, Staudacher DL, Supady A, Bode C, Duerschmied D, Lother A.
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Amitriptylin:
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Myoglobin

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(15) Cytosorb™ in a patient with legionella-pneumonia associated rhabdomyolysis.
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(16) In-Vitro Myoglobin Clearance by a Novel Sorbent System.
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Bilirubin

(17) Successful elimination of bilirubin in critically ill patients with acute liver dysfunction using a cytokine adsorber and albumin dialysis: a pilot study.
Scharf C, Liebchen U, Paal M, Becker-Pennrich A, Irlbeck M, Zoller M, Schroeder I.
Sci Rep 2021; 11(1): 10190 

(18) Removal of Bilirubin with a New Adsorbent System: In Vitro Kinetics.
Gemelli C, Cuoghi A, Magnani S, Atti M, Ricci D, Siniscalchi A, Mancini E, Faenza S.
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Gallensäuren
(19) Removal of bile acids by extracorporeal therapies: an in vitro study.

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Int J Artif Organs 2017; 40(1): 4–8


Entfernung exogener Moleküle – Enterotoxine

(20) Broad adsorption of sepsis-related PAMP and DAMP molecules, mycotoxins, and cytokines from whole blood using CytoSorb(R) sorbent porous polymer beads.
Gruda MC, Ruggeberg KG, O’Sullivan P, Guliashvili T, Scheirer AR, Golobish TD, Capponi VJ, Chan PP.
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Entfernung exogener Moleküle – Medikamente und Drogen

(21) Pharmacokinetics of anti-infective agents during CytoSorb hemoadsorption
Schneider AG, Andre P, Scheier J, Schmidt M, Ziervogel H, Buclin T, Kindgen-Milles D.
Sci Rep 2021; 11(1): 10493

(22) Ticagrelor Removal From Human Blood.
Angheloiu GO, Gugiu GB, Ruse C, Pandey R, Dasari RR, Whatling C.
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(23) Extracorporeal Hemoperfusion as a Potential Therapeutic Option for Critical Accumulation of Rivaoxaban.
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(24) Cytosorb adsorption during emergency cardiac operations in patients at high risk of bleeding.
Hassan K, Kannmacher J, Wohlmuth P, Budde U, Schmoeckel M, Geidel S.
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(25) Venlafaxine intoxication with development of takotsubo cardiomyopathy: successful use of extracorporeal life support, intravenous lipid emulsion and CytoSorb.
Schroeder I, Zoller M, Angstwurm M, Kur F, Frey L.
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(26) First-in-Man Fully Percutaneous Complete Bypass of Heart and Lung.
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Abschwächung der überschießenden Akute-Phase-Reaktion

Die Akute-Phase-Reaktion ist eine unspezifische Immunantwort des Körpers und Teil der Entzündungsreaktion. Eine übermäßige Akute-Phase-Reaktion geht mit einer Reihe möglicher Komplikationen einher.

Diese beziehen sich vor allem auf Gerinnungs- und Mikrozirkulationsstörungen mit sich daraus ergebender Verschlechterung der Gewebeoxygenierung und sekundärer organischer Funktionsstörung aufgrund der beeinträchtigten Homöostase. Die Abschwächung einer überschießenden Akute-Phase-Reaktion durch Reduzierung der erhöhten Zytokinspiegel ist der primäre Ansatz der CytoSorb-Therapie. (Ref.: 1–5)

 

Reduktion der Zytokin-Bildung

Die klinische Wirkung der CytoSorb-Therapie beruht nur zum Teil auf der direkten Entfernung von Zytokinen und Chemokinen. Mehrere Studien zeigten, dass CytoSorb Zytokine entfernen kann, was Beobachtungen zufolge dazu beiträgt, den Zytokinsturm unter Kontrolle zu bringen. Einerseits geschieht dies durch die niedrigeren Plasmaspiegel entzündungsfördernder Zytokine, da diese einen selbstverstärkenden Effekt auf die Neuproduktion haben, andererseits werden Moleküle entfernt, die die Entzündungskaskade aufrechterhalten. (Ref.: 5–9)


Referenzen

Abschwächung der überschießenden Akute-Phase-Reaktion

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Reduktion der Zytokin-Bildung

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Neuausrichtung von aktivierten Leukozyten

(7) Modulation of chemokine gradients by apheresis redirects leukocyte trafficking to different compartments during sepsis, studies in a rat model
Peng ZY, Bishop JV, Wen XY, Elder MM, Zhou F, Chuasuwan A, Carter MJ, Devlin JE, Kaynar AM, Singbartl K, Pike F, Parker RS, Clermont G, Federspiel WJ, Kellum JA
Crit Care 2014, 18(4):R141
(8) Hemoadsorption reprograms inflammation in experimental gram-negative septic peritonitis: insights from in vivo and in silico studies.
Namas RA, Namas R, Lagoa C, Barclay D, Mi Q, Zamora R, Peng Z, Wen X, Fedorchak MV, Valenti IE, Federspiel WJ, Kellum JA, Vodovotz, Y.
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(9) Acute removal of common sepsis mediators does not explain the effects of extracorporeal blood purification in experimental sepsis
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Kidney Int. 2012 Feb;81(4):363-9

Die klinischen Auswirkungen durch die Anwendung der CytoSorb-Therapie hängen in hohem Maße von der Indikation, der klinischen Situation und dem Behandlungsschema ab. Die Therapie ist nicht als Ultima-Ratio-Therapie einzusetzen, sondern sollte aufgrund ihrer positiven klinischen Effekte, insbesondere bei sorgfältiger Patientenauswahl, rechtzeitiger Anwendung und angemessener Verwendungsweise gewählt werden. Bestehende therapeutische Prinzipien wie z. B. Source Control und Fokuskontrolle/Fokussanierung und die frühe anti-infektiöse Behandlung bei Sepsis bleiben von größter Bedeutung. Die Anwendung der CytoSorb-Therapie zielt auf folgende klinischen Effekte ab:

Unterstützung der hämodynamischen Stabilisierung 

Häufig beschriebene reproduzierbare Effekte der Entfernung von Zytokinen ist ein signifikant verringerter Bedarf an Vasopressoren, was in klinischen Untersuchungen beobachtet wurde.  (Ref: 1–11)

Einfluss auf Kapillarlecks

Die Reduzierung von systemischen Spitzen-Zytokinspiegeln könnte auch deren Beeinträchtigung der Unversehrtheit von Blutgefäßen verringern. In präklinischen Studien wies die von Dr. John Kellum aus Pittsburgh (USA) geleitete Gruppe deutlich diesen Effekt nach. In-vitro-Messungen an humanen Endothelzellschichten bei unbehandeltem und behandeltem Plasma haben dies vorläufig bestätigt. Selbst frühere klinische Beobachtungen scheinen diese Ergebnisse zu bestätigen. Durch die Entfernung überschüssiger Zytokine kann CytoSorb dem Körper dabei helfen, dass er das Eindringen von Flüssigkeit, Proteinen und Immunzellen in verschiedene Gewebearten potenziell stoppt und so das Fortschreiten von Organschäden verhindert. Gleichzeitig wurde eine Verbesserung der Organfunktion beobachtet, was ebenfalls durch diese Effekte gefördert werden könnte. (Ref.: 12–18)

 

Schutz von Organen und Behandlung der Multiorgandysfunktion

Der Schutz der Organe kann in verschiedenen klinischen Situationen und durch verschiedene Wirkmechanismen erreicht werden. So könnte zum Beispiel die gleichmäßige Reduzierung hoher Myoglobin-Plasmawerte mit CytoSorb dazu beitragen, eine drohende Niereninsuffizienz abzumildern oder sogar zu verhindern. 

trägt dazu bei, einer sekundären Niereninsuffizienz bei Rhabdomyolyse vorzubeugen. Ein ähnlicher Effekt ist von der massiven Entfernung von freiem Hämoglobin in Fällen von signifikanter Hämolyse zu erwarten. Die Entfernung potenziell zytotoxischer Substanzen wie Gallensäuren kann die Entgiftungsfunktion der Leber unterstützen.

Multiorgandysfunktion und -versagen (Lunge, Nieren, Leber, Herz, Kreislauf etc.) sind häufige Komplikationen von schweren oder zu starken systemischen Entzündungsreaktionen. Die Dämpfung des sogenannten Zytokinsturms durch die CytoSorb-Therapie soll die Vorbeugung oder Abschwächung von Organversagen unterstützen. Wenn die Organdysfunktion allein aus der Entzündung resultiert und nicht aus dem daraufhin einsetzenden Zellschaden, könnte die Organfunktion nach Abschwächung der systemischen Entzündung auch wiederhergestellt werden. In derzeit laufenden Studien versucht man, diese Effekte im klinischen Umfeld zu bestätigen.  

Umlenkung der zellulären Immunabwehr

Ein möglicher weiterer Therapieansatz würde auf der Beeinflussung der zellulären Immunantwort durch das Absenken der Zytokinspiegel im Blut der Patienten basieren. Hierdurch könnten bestehende Infektionsherde entdeckt werden, wenn die lokalen Mediatorenspiegel trotz einer Reduzierung der systemischen Werte erhöht bleiben. Das sich daraus ergebende Konzentrationsverhältnis der Entzündungsmediatoren zwischen Herd und Peripherie könnte zu einer Umlenkung der zuvor nicht zielgerichteten systemischen zellulären Immunantwort auf den Herd führen. Dr. Peng und Mitarbeiter konnten dies präklinisch belegen. Zur Zeit wird versucht, dies auch unter klinischen Bedingungen zu bestätigen. (Ref.: 17–18)

Prävention oder Abschwächung einer überschießenden systemischen Entzündung unter extrakorporaler Zirkulation

Ergebnisse von Studien mit Patienten, bei denen Herzoperationen durchgeführt wurden, zeigen, dass die CytoSorb-Therapie systemische Entzündungen, die durch den Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen (HLM) bedingt sind, verhindern oder signifikant reduzieren kann. Das wurde bereits bei präklinischen Projekten beobachtet. Die fehlende oder stark verminderte systemische Entzündung könnte dann weniger Komplikationen herbeiführen, zu denen hämodynamische Instabilität oder sekundäre Organdysfunktionen gehören. In welcher Situation genau dieser Ansatz idealerweise gewählt werden sollte, wird gerade noch untersucht. (Ref.: 21–22)


 

Referenzen

Stabilisierung der Hämodynamik (Mikro- und Makrozirkulation)

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Umlenkung der zellulären Immunabwehr

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Prävention oder Verlangsamung einer überschießenden systemischen Entzündung

(21) Treatment of post-cardiopulmonary bypass SIRS by hemoadsorption: a case series
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